Schweizer Präzision in der Luft

Das 4030 und nun das 6030 der Firma Flytec begleiten mich zuverlässig seit Jahren in Thermiken rund um den Globus. Ohne den vertrauten Pfeifton kann ich mir ein Steigen gar nicht mehr vorstellen. Doch wer ist eigentlich Flytec? Wer sind die Menschen, die ein solches Bijoux erfinden, entwickeln, produzieren, vermarkten?

Die Menschen
Auf der Homepage von Flytec erfährt man darüber wenig, und frech schreibe ich eine e-Mail. Tatsächlich folgt eine Einladung nach Horw, dem Luzerner Vorort und Firmensitz von Flytec. Flytec – das sind zuvorderst Lorenz Camenzind, Peter „Jodok“ Joder und Alois Sigrist, ein kongeniales Triumvirat. Die drei arbeiten seit vielen Jahren erfolgreich zusammen. Jeder hat sein Spezialgebiet: Lorenz hat Kosten und den internationen Einkauf im Griff, Alois kümmert sich um das Marketing und den weltweiten Verkauf, Peter ist der Erfinder und Ingenieur. Hinzu kommen noch weitere fünf Entwickler und Mitarbeiter im Backoffice, im Service und in der Montage/Produktion, insgesamt 21 Menschen, und alles unter einem Dach.

Peter „Jodok“ Joder und zwei seiner Prints

Die Mission
„Instrumente für die Leichtaviatik“ – das setzt seit der Firmengründung im Jahr 1983 den Rahmen. Von Beginn an standen die Eckpunkte fest: ein Einsatzbereich zwischen -20° und +50° Celsius, Geschwindigkeiten zwischen 20 km/h und 300 km/h, ein möglichst geringer Stromverbrauch auch bei tiefen Temperaturen, einfache Bedienung.

Ideen haben und sie dann umsetzen, wenn die Zeit reif ist. 15 Patente nennt die Firma Flytec mittlerweile ihr eigen. Der Durchbruch im heiss umkämpften Markt gelang den Schweizern Ende der 80er Jahre mit der Entwickung eines Druckmessers auf Siliziumbasis. Bei den Bell Laboratories wurde so eine Membran im Nanobereich gebaut. Die Forscher selber hielten ihre Erfindung für den industriellen Einsatz ungeeignet. Doch Peter Joder bekam Wind von dem Druckmesser und wusste: er kann diese bahnbrechende Erfindung einsetzen. Der erste Barograph auf Siliziumchipbasis entstand.

Noch heute ist Peter Joder Feuer und Flamme, wenn er von diesen Pionierzeiten erzählt. Sie haben alles aufbewahrt bei Flytec, jeden Gerätetyp, jede Generation. Nach mehreren Stunden Gesprächsdauer liegt der Tisch voll mit „Prints“, dem Innenleben von Schweizer Ingenieurkunst. Jede Generation etwas kleiner, und von Jahr zu Jahr mit mehr Funktionalität.

Doch die Funktionalität ist nicht beliebig. Flytec hat sich nie dem Hype, dem Chic untergeordnet. Die richtige Funktionalität hat immer Vorrang. Farbige Bildschirme? Peter Joder winkt ab. „Heute sind noch keine Displays auf dem Markt, die auch bei Sonnenlicht im Schnee etwas erkennen lassen.“ Da bleibt er lieber beim scharz-weiss Display. Dieses kommt dafür beim 6030 mit 72000 Pixeln daher. (Zum Vergleich: Leonardo von Digifly hat gerade mal 8000 Pixel). Damit lässt sich eine informative und elegante Oberfläche gestalten.

Herausforderung Echtzeit
Die wichtigen Daten korrekt messen, aufbereiten und angemessen darstellen – das ist mehr als man auf den ersten Blick meint. Was für uns Laien so einfach aussieht – ein schwarzes Kästchen mit etwas elektronischem Innenleben – ist in Tat und Wahrheit ein Konzentrat verschiedenster intelligenter Problemlösungen. Welche Daten braucht es? Wie sollen sie gemessen werden? Wie sollen sie verarbeitet werden? Wie sollen sie übersichtlich für den Piloten dargestellt werden?

Ein Beispiel: Für die Annäherung des Fluggerätes an einen gesperrten Luftraum gibt es verschiedene Algorithmen. Welches ist der geeignetste? Die Positionsdaten müssen per GPS gesammelt, verarbeitet und dargestellt werden – und das mehrfach pro Sekunde. Schlussendlich zählt, dass der Pilot auch etwas mit der Information anfangen kann. Die Ingenieure der Flytec überlassen die Antwort nach dem richtigen Weg nicht dem Zufall. Die Fragestellung führt zu einem fingerdicken Grundlagenpapier, in dem die Vor- und Nachteile der verschiedenen Lösungswege sorgfältig gegeneinander abgewogen werden.

Nicht überall wo Flytec drin ist, steht auch Flytec drauf
Die Entwicklung bei Flytec ist bisweilen sehr schnell: von der Idee eines Barographen im Taschenmesser Victorinox „Traveller“ bis zur Serienproduktion vergehen nur knapp zwei Jahre. Die Aufgabenstellung ist auch hier trickreich: drei Achsen für die Fixierung der einzelnen Werkzeuge und eine Ebenendicke von typischen 2 mm definieren den verfügbaren Platz. Das KnowHow für hohe Präzision auf kleinstem Raum hatte nur Flytec. Peter Joder zeigt mir weitere Geräte, deren Innenleben auf Flytec-Komponenten aufgebaut ist. Schmunzelnd erzählt er mir von Testberichten, in denen mehrere Geräte miteinander verglichen wurden, alle mit demselben Innenleben von Flytec.

Während in den 80ern noch etwas dreissig Mitbewerber auf dem Markt waren, sind es mittlerweile nur noch eine Handvoll. Die Konkurrenz verschwand vom Markt, reine Nachahmer konnte sich im Markt nicht behaupten. Die Firma Bräuniger aus dem benachbarten grossen Kanton wurde von den Horwern von Anfang an respektiert, denn „die haben auch selbst entwickelt und nicht nur kopiert.“ Nach Jahren der Kooperation folgte 2006 beinahe zwangsläufig die Übernahme von Bräuniger, als sich deren beide Chefs aus Altersgründen zurückzogen.

Die Integration von Bräuniger hat Flytec einige Kraft gekostet. Ein Grund auch, warum es länger als üblich dauerte, bis der Nachfolger des 5030 auf den Markt kommt.

Eine neue Generation entsteht
Klare Ziele hat Peter Joder, wenn er eine Nachfolgemodell konzipiert: Kleiner, funktionaler, ergonomischer, weniger Stromverbrauch. Welche Bauteile auf dem weltweiten Elektronik-Markt die besten sind, dies herauszufinden ist die Aufgabe von Lorenz Camenzind. Über die Jahre hat er ein Netzwerk aufgebaut, weiss, wer was entwickelt, wo sich der Einkauf lohnt. Die Integration der verfügbaren Hightech-Komponenten zu einem Fluginstrument – niemand kann das besser als die Ingenieure der Flytec.

Immer kleiner: die Prints von 4030, 5030 und 6030 nebeneinander

Qualität konzipieren
Bereits zu Beginn der Entwicklungsphase planen sie auch, wie das produzierte Gerät kalibriert und getestet werden kann. Die Entwicklung dieser Software für den Gerätetest macht übrigens einen üppigen Posten im Entwicklungsbudget aus. Peter Joder zeigt mir die riesigen, ebenfalls selbst entwickelten und gebauten Schränke zum Prüfen der Geräte. Auf mehreren Ebenen kann ein Temperaturbereich von -20° bis + 50° Celsius bis auf ein Zehntelgrad genau eingestellt werden kann. Klar ist: bei Flytec ist Qualität kein Zufall.

Das ist nicht nur Grundsatz in der Produktion, sondern gilt auch für die Wartung und Reparatur. Lang über die Garantiefrist hinaus ist Flytec in der Lage, eingesandte Geräte zu reparieren, denn auch die Reparaturfähigkeit eines Gerätes wird beim Design bereits eingeplant. So hat Flytec bereits frühzeitig auf Steckverbindungen gesetzt, als andere noch löteten.

Das weiche Herz
Montage und Reparatur erfolgen am Firmensitz. Warum produziert Flytec heutzutage noch in der Schweiz? Flytec geht auch hier einen eigenen Weg, und beschäftigt in der Montage und im Versand Menschen, die schwer einzugliedern sind. Sichtbar stolz ist Peter Joder auf das soziale Engagement der Firma und zeigt mir beim Abschied ein Diplom von „pro infirmis“ und erzählt: „Einer unserer Mitarbeiter galt vor 10 Jahren als nicht tauglich fürs Arbeitsleben. Bei uns hat er eine Nische gefunden.“ Und auch die Ingenieure profitieren von ihren etwas anderen Kollegen: Wenn die Montage zu knifflig ist, dann kommt das Feedback wenige Meter weiter im Entwicklungsbüro ungeschminkt an. Die Chance für Peter Joder und seine Ingenieure, etwas Gutes noch besser zu machen.

Geschrieben im September 2007 für den Swiss Glider, der den Artikel allerdings nie veröffentlichte, da das Bildmaterial nicht hinreichte.