Heute wollen alle fliegen, zu elft fahren wir zum Startplatz. Als ich um zehn vor zwölf starte, sind Rico und Räto schon längst Richtung Manali unterwegs, etwa 40 km weiter im Nordosten, und nicht mehr zu sehen. Eric und ich fliegen hinterher. Zwei Kreten weiter kommen uns die beiden auf einmal wieder entgegen. Es scheint wohl nicht so gut zu laufen Richtung Manali. Eric fliegt noch zwei Rücken weiter. Er erzählt später, wie schwer es war zurückzukommen. Ich schliesse mich den Schweizern auf dem Flug in die Gegenrichtung an. Allerdings nicht, ohne vorher einige Kreise mit einem gefiederten Gefährten zu ziehen. Der Vogel, der etwa einen Meter Spannweite hat, fliegt bis auf Armeslänge an meinen Schirm heran.
Zu dritt kommen wir gut voran. Die beiden schnelleren Ozones zeigen mir an jedem Rücken die Thermik gut an, so dass ich sie beim Höhe machen wieder einholen kann. Doch ziemlich bald setzen uns die immer weiter wachsenden Wolken auch in diese Richtung eine Grenze. Zurück zum Startplatz. Ich erwische ein 8.9 m/s Steigen, fast ein wenig unheimlich… Für den heutigen Tag habe ich genug, und fliege ins Flache hinaus. Ich kehre zu spät, um den regulären Landeplatz zu erreichen, und suche mir ein abgeernetes Reisfeld in der Nähe des tibetischen Internates aus.
Hier sieht es friedlich aus: überall spielende Kinder, zufriedene Gesichter. Die Lehrerin, die mir freundlicherweise den Weg zurück weist, spricht prima englisch und erzählt mir, dass fast 1800 Kinder in der Schule in Suja untergebracht sind. Sie alle sind aus Tibet geflüchtet. (Aus anderer Quelle habe ich erfahren, dass die Flucht aus Tibet mit einem etwa zweimonatigen Fussmarsch verbunden ist. Viele überleben diese Strapaze nicht.) Ihre Eltern leben entweder in Tibet, oder die Kinder sind Waisen. Die jüngsten unter ihnen sind drei Jahre alt. Das Internat wird vom SOS-Kinderdorf gesponsert. Eine gute Sache, denke ich, und nehme mir vor, bald wieder etwas zu spenden.
Der Fussweg nach Bir führt vorbei an Reisfeldern, über einen Bach, unter Bäumen und Bambus entlang. Kurz vor dem Ort wird der Pfad von kleinen bäuerlichen Betrieben gesäumt. Hunde, Hühner, Kälber und Kühe; Frauen und Kinder bei der Feldarbeit. Maiskolben sind zum Trocknen auf den Dächern oder im Hof ausgebreitet. Im Ort angekommen, lädt mich eine kleine Gruppe indischer Frauen zum Tee ein. Wir machen ein paar Photos und lachen.
Auf dem offiziellen Landeplatz bietet sich ein ähnliches Bild wie gestern. Spielende Kinder, junge Inder, tibetische Mönche und westliche Gleitschirmflieger geniessen den Nachmittag. Einer nach dem anderen landet, und wohlbehalten kehren wir ins Dorf zurück. Dort erstehe ich ein Original weinrotes „Free-Tibet“-Wollplaid, denn die Abende im Garten des Emaho-Cafes sind schon recht frisch. Wieder staune ich über die Preise: für umgerechnet fünf Franken – Festpreis, in jedem Laden gleich, kein Handeln erforderlich – bekommt man diese schöne Decke. Der superfeine Kugelschreiber hat umgerechnet nur zehn Rappen gekostet. Wie funktioniert das?
Am Abend im Internetcafe bin ich wie immer gespannt, ob es neue Gästebucheinträge gibt. Ich freue mich sehr über Eure Einträge!