Nach den Superflug gestern bin ich sehr zufrieden und kann mir eine Steigerung nicht vorstellen. Ein freier Tag heute wäre auch nicht schlecht. Statt dessen wird ein Speedrun über 112 km gesetzt. Sofort bin ich motiviert: Soweit bin ich noch nie geflogen! Bei der Distanz habe ich nur eine Chance, wenn ich so früh wie möglich losfliege und so lange wie möglich in der Luft bleibe. Zum Glück ist es wieder windstill. Auf der langen Strecke Richtung Dharamsala muss ich einige schneller Schirme passieren lassen. Der Wendepunkt ist eine Herausforderung. Auf dem Hinweg überlege ich intensiv, wie ich ihn schaffen kann. Er liegt tief, und auf meinen Genussflügen habe ich vorher umgedreht, denn die Chance, hier nicht wieder weg zu kommen, sind gross. Ich entscheide mich für eine schnelle Wende und hoffe, dass ich auf der anderen Seite wieder Anschluss finden werde. Es gelingt! Für fast die Hälfte des Feldes ist diese Boje zu schwer. Ich beeile mich, denn die Zeit läuft gegen mich. Ich habe noch mehr als die Hälfte der Strecke vor mir, aber nur noch maximal zweieinhalb Stunden Thermik zu erwarten. Ich komme zügig voran, in meiner Nähe immer drei bis vier Schirme. Nicolay und Xavier sind weit vor uns, wir sind die Verfolger. Die anderen fliegen meist eine leicht andere Linie, aber keiner von uns kann damit einen entscheidenden Vorteil machen. Ein roter Advance Omega ist ständig in meiner Nähe, ich nehme an, einer der beiden Japaner. Ich werde ihn einfach nicht los…
Der letzte Wendepunkt ist wieder die hochgelegene Bahnstation bei Jogindar Nagar. Wie man die Boje erfliegt, wissen wir ja bereits. Wir sind etwa alle zur gleichen Zeit da. Ich entscheide mich, direkt nach der Wende aufs Ziel loszufliegen, denn die mittlerweile schwache Thermik wird mir voraussichtlich keinen schnellen Höhengewinn – wenn überhaupt – bringen. Als erste der Verfolgergruppe gleite ich nah am Gelände Richtung Bir. Ich mogle mich voran, neben mir immer noch der Advance. Noch eine Rippe weiter, ich bin schon tief. Vor mir das tiefe Flussbett, dahinter Reisfelder. Ich setze alles auf eine Karte und tatsächlich kann ich den Fluss noch queren, bevor ich ohne Kurve etwa drei Kilometer vor dem Ziel auf dem Reisfeld lande. Der Advance ist einige Meter weiter. Die Schirme aus der Verfolgergruppe, die nach der Wende noch Thermik gesucht haben, kommen alle kürzer als ich.
Erst am Abend realisiere ich: der Advance-Pilot ist Philippe, der ausser Konkurrenz mitgeflogen ist, und ab der Dharamsala-Boje versucht hat, mir zu helfen! Mathieu ist noch etwas weiter geflogen als ich, Nicolay und Xavier sind als einzige ins Ziel geflogen. Vierter Platz, 108 km, nach fünfeinhalb Flugstunden. Ich kann es gar nicht recht kapieren, und strahle schon wieder wie ein Honigkuchenpferd.