Touchdown

Die heutige Aufgabe: 6 km Exit Zylinder um den Startplatz D01. Luftstart um 13:00 h. Erste Boje ist La Pila (B26), dann Elefante (B41) mit einem 3 km Radius. Via Peñon (B18) fliegen wir dann in die Ebene südöstlich bis zur Boje Tesca (B36) mit einem 4 km Radius. Letzte Boje ist St. Agustin (B47), das Ziel ist Quintanilla (G03). Auf dem GPS ergibt das 114 km, wegen der grosszügigen Bojenradien sind es aber weniger als 100 km.
Am Anfang ist der Task ein Kinderspiel, bis El Peñon läuft’s wie am Schnürchen. Es ist ein Genussflug, vor allem in der Konvergenz unter der Basis macht mir das Fliegen riesig Spass. – Mit der Ebene südöstlich vom Start habe ich kein so gutes Verhältnis, da bin ich letztes Jahr schon mal abgesoffen und im Lee der tiefen Hügeleinschnitte gelandet. Dieses Jahr läuft’s ähnlich: Bei der Querung zur Tesca-Boje kann ich nirgends Höhe tanken, und auch am Zylinder läuft nicht viel. Ich suche hier, ich suche dort, und finde nirgendwo den Anschluss.

Ich sehe Vögel aufkreisen. Freunde! Freude! Rettung? Nicht ganz, sie können’s einfach besser, in der schwachen engen Thermik. Manchmal mogeln sie auch und schlagen mit den Flügeln. Meine letzte Hoffnung ist der gefiederte Wicht, der im Lee der Hügelkette dreht. Ich folge ihm ins Tal von Temascaltepec. Die Thermik bleibt aus. Der Anblick auf der anderen Seite ist dafür um so beeindruckender. Nicht, dass ich nicht gewusst hätte, was mich da erwartet. Im Gegenteil, ich kenne die Topographie des Ortes.

Temascaltepec ist eine hübsche Stadt. Das besondere an ihr ist ihre Lage: tief im Einschnitt eines engen Tals, man möchte sagen: Canyon. Landemöglichkeiten: so gut wie keine. Meine Alternativen: mit Leitungen durchzogene kurze, baumfreie, steile Hangstücke oder ein Fussballstadion, tief unten im Talboden, im Windschatten (= Lee) eines Hügels, vollständig umschlossen von hohen Bäumen. Wie soll ich mich entscheiden? Viel Zeit bleibt nicht.

Martin, unser Teamchef, kommentiert auf der Ligaseite: „Auch Anja läuft’s nicht super und muss erst noch an einem haarsträubenden Ort landen (ich traue meinen Augen nicht, als ich sie finde).“

Ich entscheide mich fürs Fussballstadion. Es hat wenig Wind. Wo wenig Wind ist, ist auch wenig Lee, und so riskiere ich den Anflug zwischen den Bäumen aufs Grün. Dass ein Fussballfeld im Prinzip reicht, weiss ich aus Erfahrung. Allerdings bin ich noch nie so steil, mit so wenig Wind und mit einem so gleitfreudigen Schirm hineingezirkelt. Es klappt, – nein nicht der Schirm, der raschelt nicht ein einziges Mal,- ich komme sanft im gegnerischen Strafraum auf.

Tja, ist Wettkampffliegen gefährlich? Ich denke, das ist doch ein gutes Beispiel für „ja, man kann sich unnötigerweise in Gefahr bringen“. Es ist zwar gut ausgegangen, aber genaugenommen war das Manöver nicht gerade klug von mir. Die Hoffnung stirbt zuletzt, und ich hatte auf das Wunder von Temascaltepec gehofft. Es ereignete sich nicht in Form von Thermik, sondern in Form einer sicheren Landung.
Der Landeplatz ist da hinten unten * Copyright: Martin Scheel